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Taqlid (Nachahmung)


 

Was ist Taqlid?

 

Taqlid (arabisch: تقليد) ist ein Begriff im  Islam, der die Praxis beschreibt, einem religiösen Gelehrten (Mardschaʿ at-Taqlid) in rechtlichen und theologischen Fragen zu folgen und seine Anweisungen und Urteile zu befolgen. Im Islam gilt Taqlid als essenziell, da die meisten Gläubigen keine tiefgehende Ausbildung in islamischer Rechtswissenschaft (Fiqh) haben und daher einem ausgebildeten Experten vertrauen, um sicherzustellen, dass sie ihre religiösen Pflichten korrekt erfüllen.

 

Der Ursprung von Taqlid:

 

- Taqlid bedeutet wörtlich "Nachahmung" oder "Befolgung", aber im religiösen Kontext beschreibt es das Befolgen der religiösen Ansichten eines Mardschaʿ (juristischer Autorität), der als fachlich kompetent angesehen wird, um rechtliche und theologische Entscheidungen zu treffen.

 

Die Rolle des Mardja al Taqlid:

 

- Ein Mardschaʿ at-Taqlid ist eine Person, die den höchsten Grad an islamischer Ausbildung erreicht hat und als würdig erachtet wird, Rechtsurteile (Fatwas) zu erlassen. Solche Gelehrten werden als Mujtahid bezeichnet, was bedeutet, dass sie die Fähigkeit haben, aus den Quellen des islamischen Rechts selbstständig Urteile abzuleiten.

Die Marajeh ist das Plural von Marja’ at-Taqlid. Sie spielen eine zentrale Rolle in der Rechtsfindung (Ijtihad) im schiitischen Islam. Sie sind hochrangige islamische Gelehrte, die befugt sind, religiöse Urteile zu fällen und die Gläubigen in religiösen, rechtlichen und ethischen Fragen zu leiten. Ihre Rolle ist von großer Bedeutung, da sie sowohl als religiöse Autoritäten als auch als spirituelle Führer der schiitischen Gemeinschaften weltweit fungieren.

Die Marajeh sind qualifizierte Gelehrte, die das Recht zur Ausübung von Ijtihad besitzen. Das bedeutet, dass sie in der Lage sind, religiöse Texte, wie den Quran, die Hadithe (Überlieferungen des Propheten und der Imame), sowie juristische Prinzipien und frühere Rechtsurteile zu interpretieren und neue religiöse Urteile zu fällen.

Ijtihad ist besonders wichtig in Fragen, für die es keine klaren oder direkten Anweisungen in den religiösen Texten gibt. Marajeh verwenden Methoden wie Analogie (Qiyas), Konsens (Ijma‘) und Vernunft (Aql), um Lösungen für moderne Herausforderungen zu finden.

Für viele Schiiten ist es verpflichtend, einem Marja' in religiösen Angelegenheiten zu folgen, was als Taqlid bezeichnet wird. Gläubige wenden sich an einen Marja’ at-Taqlid, dessen Rechtsurteile und Interpretationen sie als verbindlich ansehen.

Der Marja‘ stellt seinen Anhängern einen "Risala" (Sammlung von religiösen Rechtsurteilen) zur Verfügung, in dem praktische Fragen des Alltags behandelt werden, z.B. Gebet, Fasten, Zakat, wirtschaftliche Transaktionen, und andere religiöse Pflichten.

Die Marajeh haben die Aufgabe, die islamische Rechtslehre auf neue und komplexe gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklungen anzuwenden. Sie müssen dabei sicherstellen, dass ihre Entscheidungen mit den Grundprinzipien des Islam übereinstimmen, aber auch praktikabel und relevant für die moderne Zeit sind. Beispiele für solche Herausforderungen sind Bioethik, Technologienutzung, Finanzwesen und politische Systeme.

Marajeh spielen eine zentrale Rolle in der Wahrung der religiösen und sozialen Einheit innerhalb der  Gemeinschaft. Ihre Urteile tragen dazu bei, Klarheit in religiösen Fragen zu schaffen und eine kohärente Linie innerhalb der Gemeinschaft zu fördern.

Durch ihre Autorität und ihren Einfluss tragen sie dazu bei, Spaltungen innerhalb der Schia zu verhindern und den Zusammenhalt der Gläubigen zu stärken. Die Marajeh sorgen dafür, dass die schiitische Tradition und Rechtspraxis im Einklang mit den Lehren der Ahlul Bayt (Familie des Propheten) bleibt. Sie verteidigen die schiitische Identität und achten darauf, dass die religiösen Vorschriften authentisch und unverfälscht weitergegeben werden.

Die Verantwortung: 

 

Persönliche Verpflichtung: Schiiten müssen einen lebenden Mardschaʿ auswählen, dem sie in Fragen des Fiqh (islamische Jurisprudenz) folgen. Der Mardschaʿ bietet eine Anleitung in Bereichen wie Gebet, Fasten, Pilgerfahrt und weiteren religiösen Pflichten.

- Verantwortung der Gelehrten: Ein Mardschaʿ trägt die Verantwortung, sorgfältige und auf den Koran, die Sunna (Überlieferungen des Propheten) und die Aussagen der schiitischen Imame basierende Entscheidungen zu treffen.

 

Unterschiede zwischen Schia und Sunni Taqlid:

 

-  Während auch im sunnitischen Islam Formen der Nachahmung vorkommen, konzentriert sich das Konzept dort eher auf die Befolgung einer der vier anerkannten Rechtsschulen (Hanafi, Maliki, Shafi'i, Hanbali). Im schiitischen Islam ist Taqlid jedoch auf die Beziehung zwischen dem Gläubigen und einem lebenden Mardschaʿ zugeschnitten.

Obwohl Taqlid in der schiitischen Tradition weit verbreitet ist, gibt es gelegentlich Debatten darüber, inwieweit Muslime selbstständig nach Wissen streben sollten, anstatt blind einem Gelehrten zu folgen. Befürworter von Taqlid argumentieren jedoch, dass es notwendig ist, damit die religiöse Praxis auf fundiertem Wissen basiert.

Taqlid bleibt ein zentraler Aspekt der schiitischen Glaubenspraxis, da es den Gläubigen hilft, in einer komplexen modernen Welt die traditionellen religiösen Gebote einzuhalten.